Was das Mikrobiom über die Abstoßungsgefahr verrät
Bestimmte Abweichungen im Mikrobiom des Darms könnten künftig dabei helfen, das Risiko, dass eine transplantierte Niere vom Immunsystem der Organempfänger*innen wieder abgestoßen wird, besser einzuschätzen – und womöglich auch zu senken. Das zeigt eine Studie, die Forschende um Dr. Johannes Holle und Rosa Reitmeir jetzt im Fachblatt „American Journal of Transplantation“ vorgestellt haben.
Sowohl die beiden Erstautor*innen der Studie als auch Letztautoren Dr. Nicola Wilck und Dr. Hendrik Bartolomaeus gehören zur von Wilck geleiteten Arbeitsgruppe „Immun-Mikrobielle Dynamiken bei Kardiorenalen Erkrankungen“ am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung von Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max Delbrück Center.
Beteiligt an der Publikation waren zudem Professorin Sofia Forslund, die Leiterin der Arbeitsgruppe „Wirt-Mikrobiom Faktoren in Herz-Kreislauferkrankungen“ am Max Delbrück Center, Dr. Ulrike Löber aus Forslunds Team als Letztautorin sowie weitere Forschende des Max Delbrück Center, der Charité und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF).
Bei den meisten erholte sich das Mikrobiom rasch
Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler*innen 562 Stuhlproben von 245 Proband*innen der DZIF-Transplantationskohorte. Von den Teilnehmenden dieser Kohorte werden an vier Standorten in Deutschland (Hannover – Braunschweig, Heidelberg, München und Tübingen) seit 2014 medizinische Daten und biologische Proben zu Forschungszwecken gesammelt. 217 der 245 Proband*innen aus der aktuellen Studie hatten wegen einer chronischen Nierenerkrankung eine Spenderniere erhalten. Die anderen 28 waren gesund und hatten eine Niere gespendet.
Wie die Forschenden um Holle und Reitmeir berichten, konnten sie bei den meisten Patient*innen beobachten, dass sich das durch die Niereninsuffizienz beeinträchtigte Mikrobiom nach der Transplantation wieder erholte. Dies zeigte sich unter anderem durch einen gesteigerten Shannon-Index, der ein Maß für die Diversität von Lebensgemeinschaften darstellt.
Vor der Abstoßung sank im Stuhl die Artenvielfalt
Bei den Patient*innen, deren Körper die Spenderniere abgestoßen hatte, stellten sie hingegen eine Abnahme der mikrobiellen Vielfalt fest. Zudem hatte sich schon vor der Abstoßung die Anzahl derjenigen Bakterien verringert, die kurzkettige Fettsäuren wie Propionat und Butyrat herstellen. Diese haben im Körper viele wichtige Funktionen. Zeitgleich sank die Menge der bakteriellen Enzyme, aus denen solche kurzkettigen Fettsäuren hervorgehen. Nach der Abstoßung hätten sich die von ihnen untersuchten Merkmale des Mikrobioms wieder normalisiert, schreibt das Team um Holle und Reitmeir.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Mikrobiom mit darüber entscheidet, wie das Immunsystem nach einer Nierentransplantation reagiert“, sind sich die beiden Erstautor*innen einig. Ihre Beobachtungen könnten dabei helfen, die Gefahr einer Abstoßungsreaktion nach einer Nierentransplantation frühzeitig zu erkennen und künftig vielleicht sogar therapeutisch zu beeinflussen.
Die Niere ist hierzulande das Organ, das am häufigsten transplantiert wird. Die Operation gilt bei Patient*innen mit fortgeschrittenem Nierenversagen nach wie vor als die beste Behandlungsoption. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) erhielten in Deutschland zuletzt jährlich mehr als 1.500 Menschen eine Spenderniere.
Weiterführende Informationen
Literatur
Johannes Holle, Rosa Reitmeir et al. (2025): „Gut microbiome alterations precede graft rejection in kidney transplantation patients“. American Journal of Transplantation, DOI: 10.1016/j.ajt.2025.02.010